Schlafen wie Kaiserin Sisi

Zur Schwäbischen Jungfrau · Wien · Österreich

In Italien gewebt, in Wien verarbeitet, in der Welt verkauft: Seit Kaiserin Sisi bei dem Wäschehersteller "Zur Schwäbischen Jungfrau" einkaufte, bricht die royale Kundschaft nicht ab. Doch auch Nichtadlige schätzen die bestickten Textilien.

Magazin von anna · Fotos Daniel Gebhart de Koekkoek · 31. August 2016

Exquisiter kann man in Wien kaum positioniert sein: Am Graben 26 im 1. Bezirk ist das Wäscheausstattungsgeschäft „Zur schwäbischen Jungfrau“ seit 150 Jahren zuhause. In Wien ansässig ist es bereits seit 1720 – ein Leinentuchhändler aus Schwaben hatte sich mit seinen unverheirateten Töchtern in Wien niedergelassen, daher auch der Name. Schnell avancierte er zum Hoflieferanten. Das Markenzeichen seines Unternehmens, damals wie heute: die kunstvollen Monogramm-Stickereien.

Heute ist Hanni Vanicek Chefin, die die wertvolle Tisch- und Bettwäsche auf der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Im eigenen Monogramm-Archiv finden sich neben Sisi, Kaiser Franz Joseph und zahlreichen Fürstenhäusern nun auch bedeutende japanische, malaysische, russische und amerikanische Namen. Trotz der illustren Klientel legt man viel Wert darauf, auch ganz normale Kunden mit ganz normal gefüllten Geldbörsen bedienen zu können. Das betont Theodor Vanicek, Hannis Neffe und Juniorchef, der zunehmend die Geschicke der „Jungfrau“ lenkt. Dass er ein würdiger Nachfolger ist, der die Tradition im Auge behält und alle Hand- und Fachbegriffe seiner Angestellten kennt, wird bei dem Besuch im Nähatelier und im Laden am Graben schnell offensichtlich.

Zur Schwäbischen Jungfrau LadenZur Schwäbischen Jungfrau Bademantel
Mrs. Beata Kissen
Theodor VanicekZur Schwäbischen Jungfrau Verpackung

Was die Zukunft bringt? Sorgen macht der Feingekleidete sich nicht, weil die Nachfrage nach traditionellem Handwerk in den letzten Jahren noch angestiegen ist. Und dass bald Zara Home um die Ecke eine Filiale eröffnet, bereitet ihm fast ein wenig Vergnügen.

Im Ladengeschäft präsentiert Theodor Vanicek das Heiligtum: die Bettwäsche in der einst Sisi nächtigte – leicht vergilbt und mit feinen Volants. Anfassen ist sogar erlaubt. Zunächst sind wir aber im kleinen Atelier, 8. Bezirk, im Souterrain, wo mehrere Frauen in schnellen Handgriffen unterschiedliche Arbeiten erledigen: Eine schneidet weißes Betttuch zu, eine bügelt, eine näht und eine stickt Monogramme ein. Theodor Vanicek nennt sie „meine Damen“ und erklärt jeden Arbeitsschritt.

Der Stoff sieht empfindlich aus. Eignet er sich überhaupt als Bettwäsche?

Meine Tante sagt, das ist das größte Manko: Dass die Wäsche so lange hält. Gerade erst kamen zwei Damen, die ihre Bettwäsche zur Hochzeit bekommen hatten – beide vor 35 Jahren. Jetzt wollten sie neue nachbestellen. Ich sage immer: Intelligent waschen. Unsere Materialien werden dadurch noch schöner. Nur natürlich keine Gallseife verwenden. Aber wer verwendet noch Gallseife, nicht?

Was ist das Besondere an Ihrem Stoff – wo kommt der überhaupt her?

Das Besondere ist die Qualität. Dieser hier hat zum Beispiel 1.600 Fäden auf 1×1 inch. Früher hatte man höchstens 1.000. Wir lassen alles in Norditalien weben. Da besteht eine enge Zusammenarbeit seit etwa 40 Jahren. So einen Stoff kann sonst kaum jemand verkaufen bei 300 Euro pro Laufmeter.

„Liegt da die saudische Prinzessin auf der Chaiselonge, gerade aufgestanden, und sagt zu mir: Show me!“

– Theodor Vanicek

Dann haben Sie vermutlich nur vermögende Kunden?

Mir ist sehr wichtig, dass sich auch ein Normalbürger unsere Produkte leisten kann. Lässt man Extras wie Spitze weg, kann man eine maßgeschneiderte Wäsche fürs Doppelbett auch schon für 250 Euro bekommen. Die hält dann aber auch.

Was verkauft sich besonders gut?

Unser Bestseller bei Bettwäsche ist Baumwollperkal. Das wird gewoben wie Leinen, ist ein bisschen rauer und dadurch kühl. Vor allem Männer haben das gern im Bett.

Sie sind noch jung, 32 Jahre alt. Doch Sie wirken schon sehr mit dem Geschäft verwachsen. Wie kommt das?

Wir sind schon als Kinder hier herumgesprungen. Ich wollte eigentlich sportlich etwas machen, war dafür aber zu untalentiert. Mit 21 meinte meine Tante, ich solle mir den Laden mal anschauen. Die ersten Jahre bin ich mit ihr mitgegangen und habe zugehört, was sie sagt. Das habe ich fast auswendig gelernt – und dann entwickelt man was eigenes.

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Inzwischen sind Sie aber nicht nur in Wien, sondern weltweit unterwegs. Was sind Ihre Aufgaben?

Ich bin sogar bis zu 200 Tage im Jahr unterwegs! Ich berate Kunden weltweit. Wir machen ja nicht nur Bettwäsche, sondern ganze Interieurkonzepte. Ich habe auch schon ein Schiff ausgestattet. Ja, da schlottern einem manchmal die Knie, was man so zu sehen bekommt.

Sie sollen sogar eine saudische Prinzessin beraten haben …

Zuerst ohne, dass ich es wusste: Sie hatte aber ihre Freundin vorgeschickt. Die kam mit H&M- und Douglassackerln ins Geschäft und meinte, ich solle mal mitkommen mit einer kleinen Auswahl an Stoffen – ihre Freundin würde auf einer Parkbank in der Kärntnerstraße sitzen, der würde das sicher gefallen.

… und wann ist bei Ihnen der Groschen gefallen?

Erst am Abend. Ich wurde ins Hotel Imperial bestellt, dort von Security durchsucht inklusive meiner etwa 20 Taschen mit Stoffen und Monogrammen. Irgendwann ließen sie mich durch: Liegt da die saudische Prinzessin auf der Chaiselonge um halb neun am Abend, gerade aufgestanden, lässt sich sie Haare machen, 20 Leute um sie herum. Und dann sagt sie zu mir: „Show me!“ Ich habe einfach die Taschen aufgemacht, alles gezeigt, und sie sagte, mit dem Finger drauf deutend: „yes, … yes“.

Illustre Kunden, die Sie bedienen!

Ja, vom Hotel Imperial habe ich erfahren, dass sie der beste Kunde war, den sie jemals hatten: Das Präsidentenzimmer und der gesamte 5. Stock waren für sechs Monate gemietet. Abgesehen davon: Natürlich ist in dieser Preisklasse Service das wichtigste. Aber ich sag‘ immer: Ein Kunde, der eine Serviette für 7 Euro kauft, muss genauso gut beraten werden wie einer, der eine Bettwäsche für 1.000 Euro kauft.

Zur Schwäbischen Jungfrau GeschäftsführungZur Schwäbischen Jungfrau Emblem
Zur Schwäbischen Jungfrau Handarbeit
Zur Schwäbischen Jungfrau BezugZur Schwäbischen Jungfrau Detail

Die Monogramme sind eindrucksvoll. Wie kommen die zustande?

Wir haben großes Glück, nach dem Ruhestand unserer Meisterin eine geeignete Nachfolgerin gefunden zu haben. Die jetzige Monogrammstickerin kam ohne Vorerfahrung zu uns. Sie hat das in vier Monaten harter Arbeit an der 100-jährigen Singer-Maschine erlernt. (An die Stickerin gerichtet:) Romana, zeigen Sie uns mal, wie Sie am Anfang gestickt haben?

Oh, das sieht ja aus wie früher in der Schule. Woher wussten Sie denn, dass das irgendwann mal klappen würde?

Stickerin: Nach drei Wochen dachte ich, das schaffe ich nie. Jetzt brauche ich 1 Stunde und 15 Minuten für ein Monogramm. Wenn es mit „Schatten“ sein soll, zwei Stunden.

Gibt es einen Designer für die Monogramme?

T. V.: Nein, das entscheiden wir gemeinsam mit den Kunden. Da tastet man sich zusammen heran – mit einem Musterbuch. Von zu großen Monogrammen rate ich immer ab. Die Monogramme sind eh immer proportional angepasst: Eine Cocktailserviette hat eine kleinere Stickerei als eine große Serviette oder das Tischtuch.

„Unser Polsterer ist ein Genie: Er braucht nur einen Hauch einer Daune, um festzustellen, ob es Mastware ist oder keine.“

– Theodor Vanicek

Wer bekommt eine Krone ins Monogramm und wer nicht?

Strenggenommen bekommen nur die Fürstenhäuser eine Krone übers Monogramm. Jede Familie hat da ihre eigene. Neunzackig ist Graf, dann geht’s runter bis zum Fürsten Habsburg.

Wie erklären Sie sich dieses nicht abreißende Interesse an Ihren ja doch ziemlich teuren Produkten?

Die Leute wollen einfach etwas Handwerkliches. Und bei uns bekommt man eine Qualität wie sonst selten. Unser Polsterer zum Beispiel ist ein Genie: Er braucht nur einen Hauch einer Daune, um festzustellen, ob es Mastware ist oder keine. Und dann ist in dieser Preisklasse Service das Entscheidende. Wenn ein wichtiger Kunde sagt, er braucht es für morgen, dann müssen meine Mitarbeiter eben länger bleiben.

Sie haben aber doch nur ein Atelier? Wie bewältigt man so große Aufträge?

Wir haben neben dem Atelier noch einen Polsterer in Wien und in Deutschland eine Handstickerin. Ja, wir machen, was wir können. Man darf nicht zu viel wollen.

Zur Schwäbischen Jungfrau Mitarbeiterin
Zur Schwäbischen Jungfrau Werkstatt
Zur Schwäbischen Jungfrau WerkstattZur Schwäbischen Jungfrau Stoffstapel

Ihre Tante hat das Geschäft vor etwa 50 Jahren übernommen. Was hat sich unter ihr verändert?

Meine Tante hatte immer tolle Visionen – sie hat das Geschäft innerhalb von 15 bis 20 Jahren weltweit bekannt gemacht. Sobald der Tourismus aufkam, hatten wir Kunden aus aller Welt. Einmal spazierte Abby Rockefeller in unseren Laden – meine Tante erkannte sie und war ganz nervös. Abby orderte Handtücher, die wir exklusiv aus Amerika bezogen. Meine Tante sagte: „Madam, I need to tell you that this linnen comes from America“, und sie antwortete: „Darling, never mind. I never go shopping in New York – send them back.“

Aus welchen Ländern kommen Ihre Kunden außerhalb von Österreich?

Das unterliegt natürlich auch politischen und wirtschaftlichen Schwankungen. Vor 30 Jahren kamen Japaner und kauften im großen Stil. Da hatte man auf einen Schlag einen Auftrag von 60 Betten. Und von einem auf den anderen Tag waren sie fort. Das war ähnlich bei den Amerikanern. Und die Russen, die noch vor zehn Jahren große Käufer waren, wurden abgelöst von den Arabern.

Und wenn die Nachfrage ganz ausbliebe?

Im Gegenteil. Unsere Markenprodukte wie Blumarine oder Etro, die wir auch im Sortiment haben, die gehen immer weniger. Die Kunden sterben uns nicht aus: Hochzeitslisten, Kinderzimmer, Babybettwäsche sind immer gefragt. Aber natürlich bereiten wir auch die Zukunft vor, wollen noch mehr die jüngere Generation ansprechen. Das Wichtigste ist, dass wir auch leistbare Sachen haben.

Die es ja auch in direkter Umgebung gibt …

Gegenüber sperrt jetzt ein Shop von Zara Home auf. Da fragen Leute uns, ob das schlimm ist. Nein, das ist doch das Beste. Da können die Leute schöne Sachen kaufen, aber man möchte ja was Bess´res haben. Vielleicht in fünf bis sechs Jahren kommen sie, weil sie mit der Qualität nicht zufrieden waren, zu uns. Wissen aber, was schöne Designs sind.

Was schon Sisi wusste, die bei der „schwäbischen Jungfrau“ ihr Bettzeug bestellte.

Mit einer ganz kleinen Krone im Monogramm. Weiß auf weiß – sehr schlicht, wenn man bedenkt, dass es für eine Kaiserin ist. Was sich anfühlt wie Seide, ist Reinleinen. Früher wurden auf kleineren Webstühlen vielleicht 10 Meter in der Woche gewoben, heute Tausende Meter. Die Sisi-Bettwäsche mit Volants produzieren wir nach, machen auf Reinleinen mit einer Krone. Aber die Qualität von damals gibt es heute um keinen Preis der Welt.

 

Diese Geschichte entstand in Kooperation mit The Weekender – das unabhängige Magazin zu den Themen Wohnen, Reisen, Essen und Natur. Es erscheint alle drei Monate. Mehr Fotos und Hintergründe über den Wiener Wäscheausstatter gibt es in der 22. Ausgabe des Magazins – diese ist seit Mitte August 2016 bundesweit erhältlich.