Aussieben, vereinfachen, wegnehmen. Das Berliner Tischlertrio Bartmann Berlin macht radikal reduzierte Möbel, getreu dem Motto: Weniger geht nicht.
Es brutzelt, es duftet. Mittagspause in der Hasenheide 12. Der lange Tisch ist gedeckt, wir dürfen Platz nehmen. Bevor wir mit dem offiziellen Teil unseres Termins beginnen, wird erst einmal gegessen. Sich bei gebratenen Maultaschen und grünem Salat kennen gelernt. Das von Bartmann Berlin genutze Areal in dem Kreuzberger Hinterhof unweit des Hermannplatz ist so weitläufig, da verschwinden die einen morgens im Büro, die anderen in der Werkstatt, die nächsten im Keller. An einem Ort wird lackiert, am anderen gepresst, am nächsten gebaut.
Mittags kommen die drei Gründer Lasse Schnack, Sebastian Kunath und Robert Zeise, alle Mitte 30, und ihr fünfköpfiges Team zumindest einmal am Tag zusammen. Gekocht wird jede Woche von einem anderen, das sei kommunikativer „als wenn jeder seine Stulle rausholt und der Chef dann jeden einzeln befragt, was gerade bei ihm ansteht“, sagt Robert. „Bei uns ist das Gegenteil der Fall: Wir versuchen mittags gar nicht über die Arbeit zu reden“.
Design trifft auf lang gelebtes Tischlerhandwerk
Wer hier in der Küche hinter den großen Glasfenstern mit Blick auf den begrünten Hof Platz nimmt, mag zunächst etwas überrascht sein: Schließlich ist Bartmann Berlin doch die junge, aufstrebende Designermarke, die stark reduzierte Möbel fertigt, befreit von jeder Form von Schnickschnack, mit einer unverkennbar klaren, minimalistischen Formensprache. Von der Design- und Architekturzeitschrift „AD“ wurde Bartmann Berlin im vergangenen Jahr als einer der besten deutschen neuen Möbelhersteller gefeiert. Zuletzt präsentierte die Marke ihre Produkte in Los Angeles auf der Designmesse Dwell on Design.
Doch wer einen cleanen, gut sortierten, zu ihren Möbeln passenden Betrieb erwartet, wird vom Gegenteil in Empfang genommen. Hier herrscht kreatives Chaos, es riecht förmlich nach Hinterhoftischlerei, lang gelebter Handwerkskunst und Holzspänen. Da stehen Teile für ein Holzregal in der Ecke, man nimmt Platz auf unbearbeiteten Holzstühlen – jeder ein Unikat in Prototypen-Anmutung. Durch die Fenster blickt man in den Nachbarraum, der mit vollgeladenen Werkbänken vollgestellt ist.
Es ist genau diese Mischung, die Bartmann Berlin ausmacht. Design trifft auf lang gelebtes Tischlerhandwerk. Purismus auf Detailverliebtheit. Robert Zeise und Lasse Schnack kennen sich noch aus Schulzeiten in Kreuzberg, während ihrer Tischlerausbildung lernten sie Sebastian Kunath kennen. Als sich die gebürtigen Berliner 2007 alle als Tischler und Einzelunternehmer selbstständig machten, war hier im zweiten Hinterhof in der Hasenheide 12 gerade das Erdgeschoss frei. Lasse ist im Vorderhaus aufgewachsen, er wohnt noch immer hier. Sein Urgroßvater Johannes Bartmann betrieb an selber Stelle, wo die jungen Männer nun arbeiten, einst das Bettenbedarfsgeschäft „Betten Bartmann“.
Die Designphilosophie von Bartmann Berlin
Ihre Stücke tragen so schöne Namen wie Halt, Unidorm oder Usus. Ausgangslage für jedes neue Design sind immer die Männer selbst und ihr eigener Bedarf. „Man sucht etwas, findet aber nicht die richtige Lösung. Also setzt man sich eh mit dem Thema auseinander und hat vielleicht bereits eine erste Idee“, sagt Sebastian Kunath. So war es auch bei ihrem Bett „Unidorm“, das sehr gut die Designphilosophie der jungen Marke verdeutlicht. Unidorm besteht aus nur drei Materialien: einem Gestell aus schwarz lackiertem Stahlrohr, einem Rahmen und einem Kopfteil aus geölter Eiche, das Kopfteil ist bezogen mit grauem Linoleum. Ihr Motto: Schön übersichtlich bleiben. Die klassischen geometrischen Formen sind bis aufs Wesentliche reduziert, aufgrund der dünnen Stahlbeine wirkt das Bett leicht, fast schwebend.
„Möbel werden dafür gemacht, zu halten und Trends zu überdauern“.
– Robert Zeise
„Ich habe so lange gesucht“, sagt Sebastian Kunath und schüttelt dabei den Kopf. „Man würde ja meinen, ein gutes Bett, das sei leichter zu produzieren als ein guter Stuhl, doch ich fand einfach nichts annähernd Anständiges“. Dabei wollte er nichts Unmögliches: Vier Beine, unter denen man auch drunter durch saugen kann, ein Kopfteil, ein Rahmen, fertig. „Wir sitzen zwar viel – aber wir verbringen auch eine Menge Zeit im Bett“. Warum der Stuhl als Königsdisziplin unter Designern gilt und das Bett eher stiefmütterlich behandelt wird, ist für Sebastian Kunath komplett unverständlich. Die logische Konsequenz nach seiner langen Suche war also, das Bett entsprechend seiner Vorstellungen selbst umzusetzen. „Das Design mag auf den ersten Blick simpel wirken, aber hat man einen so hohen Qualitätsanspruch wie wir, ist es nicht ganz so einfach zu produzieren“.
Logische Konsequenzen mögen sie hier in der Hasenheide. Ihre Möbel sind in jeder Hinsicht logisch und logisch war irgendwann auch der Schritt, sich zusammenzutun. 2014 begannen die drei selbstständigen Tischler, gemeinsam erste Produkte zu entwickeln. Sie begannen diese auf Messen zu präsentieren und sich als eigene Marke zu verstehen. „Das ist alles irgendwie zusammengewachsen“, sagt Robert Zeise. „Wir haben großes Vertrauen zu- und ineinander, einen ähnlichen Qualitäts- und Gestaltungsanspruch. Wir alle finden, dass Möbel dafür gemacht werden, zu halten und Trends zu überdauern“. Kurzum: es passte einfach.
Aus selbstständigen Tischlern wurden Designer und Geschäftspartner. Da war es von Vorteil, dass Lasse und Robert zwischenzeitlich zusätzlich Produktdesign studiert hatten. Heute sei es für einige alte Kunden und Bekannte nicht immer einfach zu verstehen, dass sie nicht mehr die Tischlerei aus dem Hinterhof von nebenan sind. Einfach nur ein Brett irgendwo anzubringen, geht jetzt nicht mehr. „Immer öfter müssen wir nun sagen: Nee, tut uns leid, das machen wir nicht“, sagt Robert.
„Der Austausch verbessert das Ergebnis!“
– Lasse Schnack
Wie findet man eine gemeinsame Designsprache? „Am Anfang haben wir vor allem viel ausgesiebt, wir hatten etliche Ideen und haben etliche wieder fallen gelassen“, sagt Lasse. „Natürlich ist jedes Stück auch immer ein Kompromiss“. Aber genau diese Kompromissfindung, da sind sie überzeugt, macht ihre Produkte am Ende besser. „Auch wenn unsere Gestaltungsauffassung ähnlich ist, stößt man mit jeder Idee auf mehrere Meinungen. Es gibt immer Einwände. Doch der Austausch verbessert das Ergebnis“.
So auch bei „Usus“, dem ersten Produkt, das sie gemeinsam entwickelten. Auf den ersten Blick wirkt der Stuhl wie ein alter Bekannter, so klassisch schlicht kommt er daher: die Sitzfläche und Lehne sind leicht gerundet, die Oberfläche rau, die dünnen Beine etwas schräg im Verlauf. „Wir wollten einen Stuhl, der in jedes Zimmer passt, an den Esstisch, den Küchentisch oder den Schreibtisch“ , sagt Sebastian. Auch „Usus“ hätten sie mit der Zeit immer weiter verändert, „einen Stuhl zu machen, der wirklich komfortabel und widerstandsfähig und zeitlos ist, das ist ’ne ganz schöne Herausforderung“.
Reduziert sollen ihre Möbel sein, zurückhaltend. Stücke, die mit der Zeit schöner werden. „Viel Zeit fließt immer in die Frage: Wie setzen wir Farben ein, wie sollen die Oberflächen beschaffen sein?“, sagt Lasse. Hochglanz kommt für sie zum Beispiel nicht in Frage, das würde ihrem Anspruch widersprechen, Langlebiges zu schaffen. „Geölte Oberflächen kann man abschleifen und neu ölen, bei Hochglanz aber stört jeder Kratzer. Das kann irgendwann dann einfach weg“. Und das verträgt sich nun wirklich nicht mit ihrer Philosophie.