Sie liebt einfaches Handwerk und banale Alltagsgegenstände: die 3D-Illustratorin Sarah Illenberger verwandelt Alltägliches in Kunstobjekte – eine Prise Humor immer inklusive. Hier kommen ihre liebsten Produkte aus dem deutschsprachigen Raum.
Ein Fabrikgelände in Berlin-Wedding. Wir sind zu Gast bei Sarah Illenberger: 3D-Illustratorin, Verwandlungskünstlerin, visuelle Übersetzerin. Bekannt ist Illenberger für ihr Talent banale Alltagsgegenstände in Kunstobjekte zu verwandeln und in Form von Installationen Geschichten zu erzählen. Aus grünem Gemüse macht sie ein Cocktailkleid, aus Melonenscheiben die Gewichte einer Hantel. Sie arbeitet für Unternehmen wie COS und Mykita, für Publikationen wie das Zeit Magazin und das New York Times Magazine.
Es ist Donnerstagnachmittag, über 30 Grad heiß und ihr vierköpfiges Team ist ziemlich k.o. – die letzten Tage waren etwas intensiv. Zum vierten Mal hat Illenberger für das Pariser Luxushaus Hermès die Schaufenster der deutschen Boutiquen gestaltet. 11 Geschäfte in 10 deutschen Städten sind den ganzen Herbst über mit ihren Objekten ausgestattet. Das Thema: Steppe. Insgesamt über 3.000 Gräser, Blumen, Blüten, Büffel und Ziegen hat sie gemeinsam mit der Bürstenmanufaktur in Berlin-Kreuzberg produziert. Heute verlassen all diese, verpackt in zahlreichen Kartons, ihr Studio. Wir durften den Prozess per Kamera begleiten, mehr dazu bald … Und wenn wir schon mal da sind, befragen wir Illenberger natürlich gleich auch zu ihren liebsten Produkten aus dem deutschsprachigen Raum:
Storchenschere von BS Solingen – Doppelkopf
„Scheren sind mein Grundwerkzeug. Sie sind das Elementarwerkzeug meines Schaffens! Man kann sagen: Ich schneide von Natur aus gerne. Und diese Schere aus Solingen ist sehr formschön. Ich mag fast alles, was goldfarben ist und finde es toll, wenn etwas so hübsch aussieht und gleichzeitig eine Funktion hat. Die Schneideklingen werden zum Schnabel, eine Form der Natur wird zum Werkzeug – das ist auch wieder eine Verwandlung, so wie das, was ich tue, ja auch oft mit Verwandlungen zu tun hat.
Diese hat eine gute Freundin mir geschenkt und ich habe eine schöne Anekdote dazu gefunden: Die Storchenscheren stammen von den Klemmen der Hebammen. Im 19. Jahrhundert klemmten sie die Nabelschnuren damit ab. Da sich viele Hebammen in ihrer Freizeit mit Handarbeiten beschäftigten, hatten sie die Klemmen in ihren Nähkörben mit dabei. Und so entwickelten sich irgendwann Storchenklemmen daraus, die später zu Scheren umgewandelt wurden.“
Circle Gläser von Milena Kling
„Es ist immer toll, den Designprozess von Objekten zu begleiten. Diese Gläser sind die Weiterführung von Milena Klings Diplomarbeit. Milena ist eine gute Freundin, ich arbeite oft mit ihr. Während der Arbeit an ihrem Diplom zur Industriedesignerin fand sie in einer Glasmanufaktur heraus, dass Kupfer ab einer gewissen Temperatur ein tolles Rubinrot abgibt. Das Ergebnis waren Gläser, die in unterschiedliche Kupferformen hineingeblasen wurden. Die Struktur der Formen gepaart mit dem Rubinrot ergab sehr interessante Oberflächen. Diese Gläser hier sind die Fortführung, entworfen für ein Restaurant.
Ich mag die organische Form und dass sie in einer Manufaktur in Tschechien gefertigt werden, jedes Glas ist ein Unikat. Sie sind sehr filigran, die Wandstärke ist recht dünn, man denkt, sie könnten in der Spülmaschine zerbrechen. Allerdings sind sie ziemlich robust. Man kann daraus Kaltes und Heißes trinken. Und sie sind extrem leicht. Oft denkt man, ein Glas muss rund sein, ich aber finde, dass ein organisch geformtes Glas auch gut funktioniert. Milena und ich sind oft von ähnlichen Dingen inspiriert. Sie ist sehr feinfühlig in ihrem Design, akribisch und perfektionistisch, mit einer großen Sensibilität für Formen und Materialien. Manchmal fühle ich mich mit dem Humor in meinen Arbeiten da im Vergleich fast etwas …, ja, haudraufmäßig.“
Der Zollstock von Stabila
„Der klassische gelbe Zollstock: ich finde die Idee des Ausklappbaren genial. Man steckt das Ding in seine Tasche, kann es herausholen und zwei Meter groß werden lassen. Ich kann daraus ein Haus bauen, oder einen Stern. Ich mag wenn etwas so geradlinig-steif ist wie diese Zollstöcke, weiche Messbänder beispielsweise hasse ich wie die Pest. Für das Handwerksfestival von Hermès in Hamburg habe ich mal ein ganzes Pferd aus orangefarbenen Zollstöcken gebastelt.
Ich liebe Baumärkte, Handwerkszeug, Tools. Im Ausland schaue ich mir oft Baumärkte an, entdecke dort Dinge, insbesondere in Amerika. Da sehen selbst die Baumarkt-Tragetaschen so aus als hätte man sie in einem Designgeschäft gekauft. Die Klempnertaschen aus New York sind beispielsweise aus Leinen mit Lederbeschlägen!“
Medium Standard Bag von Living Standards / Chris Rehberger
„Diese supermega Tasche von dem Berliner Gestalter Chris Rehberger entspricht genau meiner Philosophie: Alltagsgegenstände können sehr schön sein. Wenn man sie natürlich aufwertet durch beispielsweise so tolles Leder wie in diesem Fall, wird es noch mal schöner. Der Witz, der Humor, der da drinnen steckt, etwas Billiges, ja eigentlich Banales in einen Luxusgegenstand umzuwandeln – so etwas finde ich großartig. Ich bekam die Tasche zum 40. Geburtstag geschenkt. Jetzt habe ich die Tasche mit Nummer 2 – inklusive Zertifikat.
Generell würde ich mich als totaler Taschenmensch beschreiben – ich schleppe immer so viele Materialien und so viel Zeug mit mir herum. Manchmal sehe ich aus …! Dann trage ich fünf voll beladene Taschen und Tüten. Und dann habe ich noch meine Handtasche, seit acht Jahren ist das dieselbe, irgendwann vor Jahren gekauft in Paris, eine stinknormale Ledertasche, die verwende ich für alles. Ich muss sagen: Taschenwechsler verstehe ich nicht. In meiner Handtasche ist alles drin: meine Sonnenbrille, mein Schlüssel, meine Kamera. Sonst müsste ich ja immer umpacken – und würde die Hälfte vergessen. Und für größere Objekte habe ich jetzt ja die Standard Bag von Chris Rehberger.“
Die gelbe Glühbirne von Osram
„Die Glühbirne ist auch so ein aussterbendes Objekt – ein Kunstobjekt, Stichwort Joseph Beuys, der die ja gerne verwendet hat. Ich finde Glühbirnen eben nicht nur als Leuchtobjekt schön, sondern auch als Designobjekt. Ich arbeite immer wieder mit Glühbirnen, habe beispielsweise schon welche in Eistüten verwandelt, oder auf einem New York Times Cover habe ich eine Glühbirne in eine Gedankenblase umfunktioniert und ich habe mal eine echte Birne in die Fassung einer Lampe geschraubt. Ich besitze eine ganze Kiste voller Glühbirnen. Gelbe mag ich besonders, weil sie sehr schönes Licht machen und aussehen wie Zitronen. Die Biergarten-Lichterkette ist für mich mit die schönste Assoziation für Sommer und draußen sein. Im Vergleich zu Halogen und LED hat sie noch etwas Nostalgisches und eine tolle Form.“
Zahnbürste von Curaprox
„Diese Zahnbürste ist für mich etwas Besonderes, weil sie, verglichen mit anderen Modellen, so simpel ist: die einfache Form, die Farbkombinationen, diese ist orangegrün, es gibt sie auch in blaurot. Sie wird in der Schweiz produziert und es zum Beispiel erhältlich bei MDC Cosmetic – bei Melanie del Canton. Für Melanie habe ich gerade einen Zahnputzbecher aus weißen Porzellan entworfen – inklusive Lippenstiftabdruck am Rand. In dem Becher sieht die Zahnbürste besonders toll aus. Sie hat eben gerade nicht diese 1.000 Funktionen, sondern ist ganz wunderbar simpel und sieht ein bisschen aus wie eine Thomas Demand Papierskulptur.“