Mario Lombardo gilt als einer der besten Gestalter der Gegenwart. Uns hat der gebürtige Argentinier seine Besten gezeigt.
Ein Dachgeschoss in Berlin-Kreuzberg. Im fünften Stock eines ehemaligen Fabrikgebäudes sitzt Mario Lombardo und sein achtköpfiges Team. In den großzügigen Räumlichkeiten des Designteams gibt es viel zu entdecken: Hier treffen sakrale Reminiszenzen auf eine helle Ästhetik, empfangen werden Besucher von einem schwarzen Tresen, der an einen Altar erinnert. Darauf thronen die Duftkerzen von Atelier Oblique, ein Dufthaus, das Lombardo 2015 gegründet hat. Ein ins Dach eingelassenes Fenster hat Lombardo mit bunten Streifen beklebt, angelehnt an das berühmte von Gerhard Richter gestaltete Fenster im Kölner Dom.
Für uns hat der Gewinner zahlreicher Designpreise und Creative Director des Fräulein-Magazins seine Top 5 aus dem deutschsprachigen Raum zusammen gesammelt. Das Ergebnis? „Es sind ausschließlich Geschenke!“, sagt Lombardo. Wir legen los.
Sofa / Daybed „Bundestag“ von Egon Eiermann
„Das erste Geschenk in dieser kleinen Serie ist diese Couch. Von der wurden insgesamt nur 500 Stück produziert, die 450 Büros der Mitglieder des Deutschen Bundestags in Bonn wurden 1968 damit ausgestattet. Als wir noch in Köln wohnten, hatten wir dort einen befreundeten Möbelhändler, bei dem wir samstags oft vorbeischauten und der einige dieser Sofas besaß. Manchmal blieben wir auf eine Tasse Kaffee, dann saß ich immer auf dieser Couch. Und wenn ich nicht saß, habe ich sie gerne angeschaut. Irgendwann, 2003 war das, bekam ich sie überraschenderweise von ihm geschenkt. Vielleicht wurde er sie auch einfach nicht los, sie war schon damals ziemlich runtergekommen. Bis dahin war ein Sofa für mich wie ein Fernseher – ein absolutes No Go. Ich lehnte beides strikt ab, insbesondere weil Fernseher wie Sofas oft zu den Zentren der Räume werden, in denen sie stehen. Heute habe ich auch ein Sofa zuhause – einen Fernseher habe ich noch immer nicht –, es ist dann doch einfach zu gemütlich darauf rumzuhängen. An dem Samstag haben wir die Eiermann-Couch zu Fuß nach Hause getragen, seitdem hat sie einiges mit uns erlebt: den Umzug von Köln nach Berlin, später ist sie von meiner Wohnung ins Büro gewandert. Als meine Tochter Mila geboren wurde, schlief sie sehr häufig drauf. Wobei es sich hier um alles andere als ein gemütliches Couchmodell handelt – es ist sehr funktional und sehr deutsch. Eigentlich müsste ich die Couch polstern lassen, doch was passiert dann mit dem Original-Bezug? Der könnte endgültig kaputt gehen. Eine Sorge habe ich seit dem ersten Tag: Ich hoffe sehr, dass die Couch nicht ausgerechnet bei Franz Josef Strauss im Büro stand. Helmut Schmidt wäre mir lieber!“
Single-Kaffeemaschine „Aromaboy“ von Melitta
„Die kleine Melitta-Single-Kaffeemaschine mit dem super Namen „Aromaboy“ bekam ich zu meiner Büroeröffnung 2004 geschenkt. Ein guter Freund hat sie mir mitgebracht, in braun mit ganz kleinen Filtern, die heute nur noch schwer zu finden sind. Das Design lässt vermuten, dass sie aus den 80er-Jahren stammt. Lange habe ich die gehütet wie meinen Augapfel und kaum benutzt, weil ich sie so süß fand. Dann ist die Maschine in einem Lager von Sachen verschwunden und vor ein paar Jahren haben wir sie wieder entdeckt. Seitdem ist sie bei uns im Büro ständig in Benutzung. Wahrscheinlich ist sie wie ein VW Käfer – und hält für immer.“
Schlüsselanhänger von Ina Seifart
„Ich verlege ständig alles, aber mit diesem Anhänger geht mein Schlüssel nicht verloren, sondern ist immer sichtbar, weil die Perlen immer irgendwo raushängen oder rumliegen. Vor vielen Jahren hat mir eine Freundin von der Düsseldorfer Kunsthalle den Anhänger geschenkt, heute verschenke ich ihn gerne selbst. Meine Tochter hat ihn zum Beispiel in bunt. Mich erinnert er an ein Gebetsband, das ich vor Ewigkeiten mal geschenkt bekam und mit dem ich immer gespielt habe, wenn ich nervös war. Zufälligerweise schenkte mir meine Freundin letztes Jahr in Istanbul eine Halskette, die ich auch heute trage und die dem Anhänger und dem Gebetsband fast ein bisschen ähnelt. Die Halskette trage ich, wenn ich Kraft brauche. In den letzten Jahren bin ich sehr esoterisch geworden. Die innere Kraft, und wo die herkommt, das ist mir wichtig.“
Vasen Surface von Rosenthal
„Einer meiner Kunden ist der Schmuckhersteller Wempe. Auch wenn das für einen Mann etwas merkwürdig klingen mag, doch seitdem ich für Wempe arbeite, stehe ich verdammt auf Diamanten. Einmal wurde ich in die Diamantenbörse in Antwerpen eingeladen, da hatte ich einen acht Millionen Euro teuren Diamanten in der Hand und habe mich einfach schockverliebt. Diese Steine haben eine solche Kraft und funkeln auch ungeschliffen, ich fühlte mich extrem von diesen Energien angezogen. Sie sind einfach magisch. Mich fasziniert, wie sie das Licht brechen. Ich liebe Sonnenschein und den Moment, wenn Licht farbig wird oder die Tonalität eines Raumgefühls verändert. Deshalb sitze ich gerne in Kirchen und schaue mir an, was mit dem Raum oder mir passiert. In Zürich gibt es im Fraumünster diese Marc-Chagall-Fenster, eigentlich sind die total kitschig, aber die Farben finde ich mega. Diese Vasen erinnern mich daran. Rosenthal hat sie mir geschenkt, nachdem ich eine Ausstellung in Selb gemacht habe, also dort, wo Rosenthal seinen Hauptsitz hat. Das war kurz nach dem Tod meiner Mutter vor wenigen Jahren. In der Trauerphase merkte ich, wie Vasen im Grunde Lebensverlängerer sind. Schnittblumen werden ins Wasser gestellt und verwelken ganz langsam darin. Das wurde mein Ausstellungsthema bei Rosenthal: der Tod und das Weiterleben. Es passen zwar nicht so viele Blumen in die Vasen, aber sie sehen einfach wundervoll aus und durch den besonderen Schliff entsteht ein Farbenspiel, wenn Licht reinfällt.“
Tischgestell James von LlotLlov
„Dieses Tischgestell ist ein Geschenk, das wir zuletzt Tania – Milas Mama – gemacht haben. Gekauft habe ich es im Baerck-Store in der Mulackstraße in Berlin-Mitte. Ich habe schon oft Sachen von dort verschenkt. Wir machen mit meiner Tochter im Wohnzimmer oft Picknick, dann breiten wir eine Decke aus und essen auf dem Boden. Heute früh erst wieder. Das ist das Schöne an dem Leben mit Kindern, Routinen werden ständig durchbrochen. Meine Tochter Mila hat sehr lange Haare, die hängen dann natürlich immer auf dem Boden, und dann natürlich auch im Essen. Als sie das Geschenk sah, meinte sie:„Papa, das ist doch genau das Richtige für mich!“ Da könne man einen Teller drauf stellen und dann könne sie auf dem Boden essen. Und dann haben Ania Bauer und Jacob Brinck, die Designer von Llot Llov, uns den zweiten James geschenkt. Wunderbar! Die beiden sind auch Berliner, seit Jahren machen die wirklich wahnsinnig tolle Sachen. Oft sind das ganz wundervolle kleine Dinge – dekorativ, praktisch und für alles nutzbar.“
Wenn Mario Lombardo gerade keine Magazine gestaltet, gestaltet er mit Sicherheit etwas anderes: Neue Büroräume zum Beispiel, oder die Verpackungen von edlen Duftkerzen. Warum Fischgrätparkett für ihn nicht akzeptabel ist und was die Gründung seines eigenen Dufthauses Atelier Oblique mit seiner Suche nach Heimat zu tun hat, ist im Interview zu erfahren.