Mit einem feinen Gespür für Materialien und Kombinationen haben Farah Ebrahimi und Philipp Mainzer das Studentenprojekt E15 in eine Designmarke mit internationaler Stahlkraft verwandelt. Wir haben sie gemeinsam mit iGNANT besucht.
Zum Beispiel das Louis Pretty in Berlin-Kreuzberg. Lachsfarbene Ledersofas, Wände in Apricot, Tischplatten, bedruckt mit dem Motiv eines Swimmingpools und drumherum der berühmte Stuhl HOUDINI, entworfen von Stefan Diez für E15. Nur wenige Monate nach Eröffnung gilt das neue Deli für Pastrami Sandwiches von Betreiber Oskar Melzer bereits als „most instagrammable Restaurant of Berlin“, wie das Kunst-Magazin „Sleek“ kürzlich urteilte. „Wir wollten Kreuzberg etwas aufheitern“, sagt Farah Ebrahimi. Zusammen mit dem Architekten und Produktdesigner Philipp Mainzer zeichnet sie sich verantwortlich für diesen neuen Farbkleks in der sonst ja doch recht grauen Ecke Berlins. Inspirationsgrundlage war David Hockneys berühmtes Pop-Art-Werk „A Bigger Splash“ von 1967 und das kalifornische Palm Springs. „Die Architektur, die Farben, das Licht – die Stadt ist eine einzige Fotokulisse“, schwärmt Ebrahimi.
„Wir bauen unsere Kollektion sehr langsam auf, wir verändern sie, doch jeder Schritt ist gut durchdacht und jedes unserer Produkte ist auf Zeitlosigkeit ausgelegt.“
– Philipp Mainzer
Farah Ebrahimi, 49 Jahre, und Philipp Mainzer, 47 Jahre, sind Ehepaar, Eltern und Kollegen. Sie sind die kreativen Köpfe hinter dem Frankfurter Designlabel E15, das 1995 von Philipp Mainzer und seinem damaligen Geschäftspartner Florian Asche im Londoner East End gegründet wurde. Die Postleitzahl des Unternehmens diente einst als Namensgeber.
Bigfoot, Backenzahn, Bessy, Busy
Seitdem hat das Designlabel mit seinen mittlerweile 35 Mitarbeitern zahlreiche moderne Klassiker lanciert. Sie tragen Namen wie BIGFOOT™, BACKENZAHN™, BESSY oder BUSY und verdeutlichen: Bei E15 gibt es eine Prise Humor immer inklusive. Doch Ebrahimi und Mainzer machen nicht nur Möbel – sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, würde ihnen nicht reichen. Unter dem Namen „Philipp Mainzer – Office for Architecture and Design“ realisieren sie Design- und Architekturprojekte unterschiedlichster Art – von einem 12-stöckigen Wohngebäude in Taipeh bis zur Ausstattung eines Pastrami-Delis in Berlin-Kreuzberg, von Kunden wie der Kosmetikmarke Aesop bis zum Ginhersteller Monkey 47.
Locationwechsel: Wir fahren nach Frankfurt-Seckbach, wo das Paar Designs und Architekturkonzepte wie für das Louis Pretty entwickelt. Ein sonniger Frühsommermorgen, ein weitläufiges Industriegelände mit Backsteingebäuden, schweren Eisentoren und viel Glas. Seit drei Jahren sitzt E15 in den Räumen eines früheren Unternehmens für Maschinenbau. Über ein Areal von 2.200 Quadratmetern verteilen sich Büro, Showroom und Lager. Wer hierher, zu ihnen in die Gwinnerstraße 40 reist, für den nehmen sich Philipp Mainzer und Farah Ebrahimi Zeit. Und die braucht man, um in ihren Kosmos einzutauchen, um zu verstehen, wie das geht, der Aufbau einer internationalen Marke mit Kultstatus innerhalb von nur zwei Jahrzehnten. Wie wird ein zu Studentenzeiten gegründetes Design-Studio zu einem Unternehmen mit 500 Händlern weltweit und einem Produktportfolio, das schon jetzt jede Menge Klassiker bereithält? „Wir bauen unsere Kollektion sehr langsam auf“, sagt Philipp Mainzer, „wir verändern sie, doch jeder Schritt ist gut durchdacht und jedes unserer Produkte ist auf Zeitlosigkeit ausgelegt“.
Da ist zum Beispiel der Beistelltisch HABIBI, lanciert im Jahre 2008: das Tischgestell mit abnehmbaren Tablett aus Kupfer gilt heute als moderner Klassiker. 2008 jedoch war nicht daran zu denken, welchen gigantischen Hype das Material Kupfer in der Interiorbranche wenige Jahre später auslösen würde. Inspiration waren die Tabletts auf denen in Ebrahimis Heimatland Iran Tee serviert wird. Oder der Tisch BIGFOOT™ von 1995, eines der ersten E15-Produkt überhaupt: der Esstisch mit den klobigen Beinen aus europäischer Eiche sorgte für viel Irritation als er erstmals auf der Kölner Möbelmesse IMM vorgestellt wurde. Massivholz mit Rissen und Astlöchern – das hatte man in der Designwelt lange nicht gesehen. Es waren die 90er, ein unterkühlter Minimalismus bestimmte das Möbeldesign. „Und plötzlich kamen wir mit Möbeln daher, die zwar auch minimal waren, aber gleichzeitig eine große Wärme ausstrahlten“, sagt Philipp Mainzer.
Das E15-Bauchgefühl
Ist das der Trick, das Rezept zum Erfolg: Einfach einen Trend lange genug beobachten und dann etwas Gegensätzliches lancieren? „Das würde viel zu viel Recherche, Analyse und Energie beanspruchen“, sagt Mainzer. „Unser Bauchgefühl ist unsere DNA.“ Es ist ein gut geschultes Bauchgefühl, über das die beiden verfügen: Philipp Mainzer studierte an der renommierten Royal Saint Martins in London Produktdesign und Architektur an der Architectural Association, er arbeitete gerade in New York als er Farah Ebrahimi traf, sie sich verliebten und sein damaliger Geschäftspartner Florian Asche E15 mittlerweile von Frankfurt am Main aus weiter aufbaute. Ebrahimi hatte in Los Angeles Mode und Kunst studiert, sie hatte ihr eigenes Modelabel geleitet, und war in den USA für verschiedene Brands wie Holly Harp, Max Azria und Donna Karan tätig.
Architektur, Mode, Design, Kunst – Mainzers und Ebrahimis persönliche Interessen vermischen sie mit beruflich Erlerntem, ihre kulturellen Hintergründe fließen in die Entwürfe mit ein, alles ist miteinander verwoben, baut aufeinander auf. Jedes E15-Produkt ist Teil einer großen Familie, jedes Design ein Herzensprojekt. Zu dem HABIBI-Tisch aus Kupfer kam später einer aus Edelstahl dazu, dann aus Messing und schließlich aus pulverbeschichtetem Aluminium. Das Design des HOUDINI-Chair wurde zu einer ganzen Stuhlfamilie mitsamt verschiedener Sesselmodelle und Barhocker erweitert.
„Isoliert voneinander wirken unsere Möbel zeitlos, fast generisch, nur in der Collage kreieren sie einen Look.“
– Philipp Mainzer
Fast wie ein Sinnbild für ihre Arbeitsweise erscheint da die collagenartig gestaltete Wand im Konferenzraum. Hier hängen Fotos neben Plakaten neben Skizzen neben Briefen – eine Mischung aus Ideen, Inspirationen und Anekdoten. Hinter jedem Zettel verbirgt sich eine Geschichte. „Isoliert voneinander wirken unsere Möbel zeitlos, fast generisch, nur in der Collage kreieren sie einen Look“, sagt Mainzer.
Während er von Collage spricht, spricht Farah Ebrahimi von Konversation. Ob bei Farben, Materialien oder Formen – es gehe immer um den Austausch, das Miteinander. „Nehme ich zum Beispiel ein dunkelblau, konservativ, klassisch, so wie es eigentlich nicht im Möbeldesign und nur in der Mode vertreten ist und kombiniere das mit Neonpink, wird es plötzlich Avantgarde“, sagt sie, „eine komplett neue Konversation“. So sei das mit Farben, sie seien wie Noten. Je nachdem wie man sie kombiniert, entsteht eine Melodie, ein Gefühl – eine Konversation.
„Machen wir Fehler, lernen wir daraus, manche mögen schmerzhaft sein, aber das ist ok. Wir gehen unseren eigenen Weg und niemand diktiert uns die Richtung.“
– Farah Ebrahimi
Dass Ebrahimi mit nach Frankfurt ging, sich von der Mode verabschiedete und schließlich als Art-Direktorin in die Firma ihres Mannes mit einstieg, war keineswegs geplant. Doch Philipp Mainzer musste irgendwann zurück nach Deutschland, E15 wuchs, Florian Asche stieg aus dem Unternehmen aus. Also folgte sie Mainzer, gemeinsam gründeten sie 2001 Bergmann, einen der ersten Concept Stores Deutschlands, Ebrahimi leitete das Geschäft. Gleichzeitig knüpften sie viele spannende Kontakte, zu Herstellern, Künstlern, Modedesignern.
Denn auch das ist E15. So klar ihre reduzierte Formensprache und wohl durchdachten Material- und Farbkombinationen auf der einen Seite sind, so experimentell sind sie beispielsweise in der Wahl ihrer Designer und Partner. Da darf der Modedesigner Bernhard Willhelm einen Massivholztisch von Hand mit bunten Punkten bedrucken oder der kanadische Künstler und Illustrator Geoff McFetridge die Unterseite des BIGFOOT™ mit Zeichnungen des Tisch-Schirrmherrens – der Kreatur Bigfoot – versehen. Mit etablierten Regeln spielen, Disziplinen weiterentwickeln, Dinge umsetzen, die mal lustig sind, mal komplett verrückt, und mal ganz puristisch schlicht. „Es ist gut, mutig zu sein“, sagt Ebrahimi. „Machen wir Fehler, lernen wir daraus, manche mögen schmerzhaft sein, aber das ist ok. Wir gehen unseren eigenen Weg und niemand diktiert uns die Richtung“.
Diese Geschichte ist Teil unserer Kooperation mit iGNANT. Das mehrfach ausgezeichnete, englischsprachige Online-Magazin berichtet seit 2007 aus den Welten des Designs, der Architektur, Kunst und Fotografie.
Mehr Fotos und Hintergründe zu E15: The Modern Design Classics of E15